Staunen und geniessen
Unbekanntes Zürich. So nah und doch so fremd! Um dies zu ändern reisten 32 neugierige Frauen gemeinsam nach Zürich. Punkt 9 Uhr startete eine gut zweistündige Führung vom Hauptbahnhof aus über die Bahnhofstrasse in die Altstadt. Mit viel Charme und Witz brachte die Stadtführerin den Thurgauerinnen die Seele der Zürcher näher. Die Zürcher tragen ihre Nasenspitze gerne etwas höher und lieben die Superlative, denn mit viel Fleiss haben sie schon immer Wohlstand geschaffen. Mit der Bahnhofstrasse besitzen sie die teuerste Meile der Welt. Zürcher lieben das Wasser über alles. Viele Feiern finden darum am, in oder auf dem Wasser statt. Zürich blieb in seiner Geschichte von einer grossen Feuersbrunst verschont, da es sich die Zürcher leisten konnten aus Stein, anstatt aus Holz zu bauen. Daher kommt der Begriff «steinreich». Auch der Begriff «von oben herab» hat einen geschichtlichen Hintergrund. Wurde eine neue Wohnung angebaut, so musste diese unbedingt höher sein als diejenige des Nachbarn. Darum sieht man viele Türmchen auf den Häusern. Schon früher wurden Nachbarschaftsstreitigkeiten gerichtlich ausgetragen. Es sind einige Dokumente von besonderen Ehrverletzungsklagen archiviert. So klagte «x» seinen Nachbarn «y» an, ihm einen Scheisshafen auf den Kopf geleert zu haben. In den engen Gässchen im Niederdorf, den sogenannten Scheissgassen, wurden alle Abfälle und menschlichen Hinterlassenschaften einfach aus dem Fenster gekippt. Einmal in der Woche wurde die Gasse von oben nach unten gereinigt und die Abfälle landeten in der Limmat. Als Zürich 1218 eine freie Reichsstadt wurde, rissen sie die Burg des ehemaligen Herrschers auf dem Lindenhof ab und machten daraus einen öffentlichen Naherholungsplatz, der bis heute erhalten blieb. Bei der berühmten Legende des Platzes über die geharnischten Frauen, huschte so manch ein Lächeln über die Gesichter der Zuhörerinnen. All die spannenden Geschichten und Fakten liessen die Zeit leider viel zu schnell vergehen.
Zum Mittagessen ging es ins moderne Geschäftsviertel in Hardbrücke. Der Prime Tower, mit seinen 126 m bis 2015 der höchste «Wolkenkratzer» der Schweiz, sorgte für ehrfürchtiges Staunen. Entsprechend eindrücklich präsentierte sich die Aussicht über die Stadt vom Restaurant «Cloud» im 36. Stockwerk aus. Für viele war ein Mittagessen auf dieser Etage ein noch nie dagewesenes Erlebnis. Trotzdem wurde vor lauter Neuem weder das Essen noch das Plaudern vergessen.
Am Nachmittag teilten sich die Frauen auf. Eine kleine Gruppe besuchte das Wow-Museum und wurde erneut ins Staunen versetzt, viele machten eine kleine Schiffrundfahrt und einige flanierten gemütlich durch das Niederdörfli. Um 17 Uhr hiess es schon Abschied nehmen. Der Heimweg führte über Wald ins Restaurant Hasenstrick, wo ein leckeres Apéro Buffet im Garten, offeriert von der Gemeinde Fischingen, bereitstand. So klang der schöne und heisse Sommertag gemütlich aus. «Ich werde zurückkehren und Zürich auf eigene Faust erkunden, da es mir so gut gefallen hat», war ein oft gehörter Ausspruch bei der Heimreise. Zürich, so nah und nicht mehr so fremd!
Angelika Dietrich-Hunkeler